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Bryan Ferry & Amelia Barratt: Loose Talk (Review)

Artist:

Bryan Ferry & Amelia Barratt

Bryan Ferry & Amelia Barratt: Loose Talk
Album:

Loose Talk

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Bildgewaltige Poesie + Prog + Psyche + Spoken Word

Label: Dene Jesmond Records
Spieldauer: 37:33
Erschienen: 11.04.2025
Website: [Link]

Gleich vorweg: „Loose Talk“, das Album mit dem uralten Telefonhörer auf dem Frontcover der transparentvinyligen Gatefold-LP, ist eins der ungewöhnlichsten, an dem der Frontmann von ROXY MUSIC je beteiligt war.
Welch eigenartige Zusammenarbeit zwischen dem Musiker BRYAN FERRY und der Lyrikerin AMELIA BARRATT hinter „Loose Talk“ zum Vorschein tritt, belegen schon die Aussagen der beiden Künstler dazu, wenn Barratt feststellt, dieses Album sei „ein Gespräch zwischen zwei Künstlern“ und Ferry ergänzt: „Für mich scheint sich dadurch ein ganz neues Kapitel meiner Arbeit aufgetan zu haben.“

Glatte 7 Jahre hat man nach „Bitter-Sweet“ (von der Retrospektive mit Aufnahmen der Jahre ab 1973 mal abgesehen) nichts mehr von BRYAN FERRY gehört – und nun so etwas. Jedenfalls sollte man, nur weil BRYAN FERRY auf dem Album steht, nicht ungeprüft und ohne vorher hineingehört zu haben, in der Erwartung zugreifen, dass Gentleman Ferry einen wieder mit seinen Gesangsbeiträgen beeindruckt. Das jedenfalls dürfte mit einer bösen Überraschung enden, denn im Mittelpunkt von „Loose Talk“ stehen die sehr beeindruckenden lyrischen Texte von AMELIA BARRATT, welche sie selber lesend vorträgt, während BRYAN FERRY seine musikalischen, durch die Texte ausgelösten Visionen dazu entfaltet.

Wer sich also gerne an die guten alten Musik-Zeiten der frühen ROXY MUSIC erinnert, an denen besonders auch ein BRIAN ENO einen erheblichen Anteil hatte, der wird auf jeden Fall mit diesem oft psychedelisch daherkommenden Album einen seltsamen Aha-Effekt erleben.


Unter Ferrys Homepage erfährt man, wie es zu der Begegnung und Zusammenarbeit zwischen den beiden Künstlern kam – eine interessante Begegnung, denn die beiden lernten sich zunächst über ihre unterschiedlichen Engagements in der Kunstwelt kennen, während ihre Zusammenarbeit mit einem zufälligen Treffen bei einer Ausstellungseröffnung begann. Ferry war fasziniert, als er erfuhr, dass Barratt sich neben ihrer Malerei auch mit Schreiben und Performance beschäftigte und daher einen ganz ähnlichen Werdegang wie er selber hatte.

Zwar ist unter diesem Aspekt „Loose Talk“ kein reines Spoken-Word-Album geworden, sondern eine Erweiterung, wie die Lyrikerin ihre Zusammenarbeit mit Ferry bezeichnet: „Es ist eher cineastisch; Musik zu Bildern.“

Und diese Bilder aus Worten werden von Ferry tatsächlich mit Klängen gemalt, denen offensichtlich der frühe ROXY MUSIC-Geist innewohnt, als noch eine geheimnisvolle Amanda Lear mit bedrohlichem Hund über das „For Your Pleasure“-LP-Cover flanierte. Genau diese finster-bedrohliche Stimmung finden wir in „Loose Talk“ wieder, wenn der „Florist“ heraufbeschworen oder dem „Orchestra“ gehuldigt wird.

Noch dazu findet man in der herrlich im 70er-Jahre-Retro-Stil gestalteten Gatefold-LP im Inneren alle Texte zum Mitlesen: Lyrische, mystische und geheimnisvolle Kunstwerke, sodass man schnell Ferrys Faszination für diese ungewöhnlichen, oft kleine Geschichten erzählenden Gedichte verstehen kann.


Wer hier nach Parallelen sucht, die in ähnlicher Weise von ungewöhnlichen Musikerinnen wie Poetinnen vorgetragen werden, der landet irgendwann bei LAURIE ANDERSON und ANNE CLARKE, selbst wenn der rezitative Anteil auf „Loose Talk“ noch stärker ausgeprägt ist und die Gedichte vordergründig vorgetragen werden. Für die darin beschriebenen Stimmungen transportiert Ferry seine Musik-Stimmungen, die stärker untermalen als gleichberechtigt zu begleiten.
Ferry meint dazu: „Es freut mich sehr, dass die Leute sagen, 'Loose Talk' klingt ‚ganz anders‘. Das ist genau das, was ich immer wollte, dass alles, was ich mache, anders ist. Anders als alles, was man bisher gehört oder gesehen hat. Das ist der Sinn des Künstlerdaseins: etwas Neues zu erschaffen, eine neue Welt - etwas Bunteres, Schöneres und vielleicht auch Bedeutungsvolleres, das einem den Atem raubt.“

Daher gibt es noch eine weitere ganz spezielle Besonderheit, die gerade für alle Ferry-Fans dieses kreative Zusammenspiel zu etwas Einzigartigem macht. Denn Ferry verwendet hier erstmals Eigenkompositionen aus den Anfängen seiner Musiker-Karriere, für die er bisher auch bei ROXY MUSIC keinerlei Verwendung finden konnte – und die nun endlich aus seiner Sicht in den Texten von AMELIA BARRATT „ihr Zuhause finden, auf das sie so lange gewartet haben“. Genau aus diesem Grund klingen diese musikalischen Gedichte so sehr nach den ersten drei Alben von ROXY MUSIC.


Oder um es mit den überzeugenden Worten des Plattenlabels auszudrücken: „Das Album ist ein Gleichgewicht zwischen raffiniertem Minimalismus und Abstraktion mit einer experimentellen und jugendlichen Energie. Ferrys Musik und Barratts Texte haben jeweils ihre eigenen Codes. Mit diesen sich vereinenden, pulsierenden Codes entdeckt das Album seine eigene Sprache – zwei Monologe beginnen eine Konversation, die zu einem Duett wird.“
Passender kann man es kaum ausdrücken.
Beachtlich ist allerdings, dass für diesen 'raffinierten Minimalismus' ein absoluter Maximalismus von ganz großartigen Musikern mit bereitsteht, die Ferrys musikalische, durch die Gedichte ausgelöste, Visionen kongenial verwirklichen.

Etwas für die ganz besonderen Momente im Leben, in denen man sich noch bewusst Zeit für diesen ungewöhnlichen poetisch-musikalischen Genuss nimmt.
Wer dafür jedoch nicht die Muße besitzt, für den werden „Loose Talks“ nur verlorene, vertonte Worte sein, selbst wenn die Klänge dahinter, einen großen, ganz frühen ROXY MUSIC-Schatten werfen.


FAZIT: Mit „Loose Talk“ von BRYAN FERRY & AMELIA BARRATT erlebt der Hörer wortwörtlich sein blaues Wunder auf transparentem Vinyl (und ist danach vielleicht sprachlos). Denn hier singt nicht etwa der ROXY MUSIC-Frontmann, sondern die Lyrikerin AMELIA BARRATT rezitiert ihre Gedichte, während BRYAN FERRY mit hoch angesehenen Gastmusikern diese Lyrics mit deutlich an die frühen, psychedelischen (ENO-)Zeiten von ROXY MUSIC erinnernde Klänge vertont. Definitiv nichts für nebenbei, sondern, um es mir Mr. Ferrys Worten auszudrücken: „Die ganze Erfahrung mit den Texten ist ein interessante Neuheit, die ein ganz neues Kapitel meiner Arbeit zu eröffnen scheint. Es gibt darin eine wirklich starke Stimmung, für die Amelia sorgt, während ich mir bewusst war, über meine Musik einen Weg zu ihren Worten zu finden. Hoffentlich haben wir so gemeinsam etwas geschaffen, was einer alleine nie zu schaffen in der Lage gewesen wäre.“ Bildgewaltige Sprache trifft auf bildgewaltige Musik – ein Album, das anfangs fragmentarisch erscheint und am Ende sich in einem eigenständigen, großen Kunstwerk aus Poesie, Sprache sowie Musik vereint. Und das vom Hörer verlangt, mit traditionellen Hörgewohnheiten zu brechen.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 172x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Seite A (20:59):
  • Big Things (2:46)
  • Stand Near Me (3:41)
  • Florist (5:43)
  • Cowboy Hat (2:51)
  • Demolition (2:49)
  • Orchestra (3:09)
  • Seite B (16:34):
  • Holiday (3:05)
  • Landscape (3:24)
  • Pictures On A Wall (3:34)
  • White Noise (3:05)
  • Loose Talk (3:26)

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